Fridolin Mallmann: Narzissmus und Terror
Narzissmus und rechtsextremer Terror – Zwischen Apokalypse, Djihad und Shitposting
Wann: 19.06.2019 um 19 Uhr
Ort: Philosophicum Uni Mainz, Raum P103
Der Terrorist des 21. Jahrhunderts zielt nicht bloß auf die Vernichtung seiner Gegner ab, sondern inszeniert zugleich die eigene Vernichtung als apokalyptisches Spektakel. Mit der Tat soll eine große Reinigung einsetzen, die sowohl die Welt als auch einen Selbst von Schmutz und Schande befreit. Neben der politischen Intention des Täters existiert eine zweite, unbewusste Intention, die, obwohl sie vom Individuum ausgeht, dieses scheinbar vernichten will. Zugleich versucht der moderne Terrorist durch sein Handeln keinen neuen Zustand herbeizuführen, sondern einen alten Wiederzuerlangen. Es ist nicht mehr die Soziale Revolution, die zur Tat motiviert, sondern die Rückkehr zu etwas Ursprünglichen oder die Verteidigung des Bestehenden. Der Terrorist geht für dieses Ziel über Leichen und verzichtet auf ethische Richtlinien. Er ist gewalttätig und zelebriert seine Gräueltaten öffentlich. Der Psychoanalytiker Béla Grunberger geht davon aus, dass Menschen mit einer pathogen-narzisstischen Entwicklung nicht von der Illusion lassen können, dass die Rückkehr zu einem narzisstischen Urzustand möglich ist, indem das menschliche Wesen scheinbar allein und ohne Leid existiert. Der Narzisst hält an dem Glauben fest, er wäre allzeit Herr der Dinge und niemals selbst hilfloses Kind sorgender Eltern gewesen. Durch sein Festhalten an diesem regressiven Trugbild, verwirrt er sich in präödipalen Konflikten, staut analsadistische Wut an und nimmt seine Umwelt durch einen wahnhaften Schleier wahr. Jegliche Konfrontation mit der Realität ist für ihn eine vernichtende Kränkung, der er sich nur entziehen kann, indem er die Realität und ihre Repräsentanten vernichtet. Der Vortrag versucht anhand aktueller Beispiele aufzuzeigen, wie pathogen-narzisstische Wesenszüge und rechtsextreme Ideologien ineinandergreifen, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, politische Taten hinter individuellen Krankengeschichten zu verbergen.
Es referiert Fridolin Mallmann, Psychoanalytiker in Ausbildung unter Supervision bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung.